Illuminismo femminile. CMZ-Gastseminare in Udine und Bergamo (26./27.Februar und 4./5.März 2025)
- ADröse
- 12. März
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 13. März
Italienische Autorinnen der Frühen Neuzeit als Role Models
Im Italien der Frühen Neuzeit findet man eine Vielzahl intellektueller Frauen, die literarisch aktiv waren – man denke nur an Autorinnen wie Vittoria Colonna (1492–1547), Veronica Gambara (1485–1550), Lucrezia Marinella (1571–1653) oder Moderata Fonte (1555–1592). Diese female voices der Renaissance sind unglaublich faszinierend – schade, dass (noch) nicht alle in deutscher Übersetzung vorliegen. ll Merito delle donne – ‚Der Verdienst der Frauen‘ heißt etwa eine Schrift aus der Feder der Venezianerin Moderata Fonte, in der sie ausführt, warum Frauen würdiger und vollkommener seien als Männer – ein scharfsinniges, feministisches Manifest, das auch amüsant zu lesen ist.
Auch Lucrezia Marinella hat einen Traktat verfasst, der im Kontext der Querelle des Femmes steht: „La Nobiltà et l’Eccellenza delle Donne“ (1601). Sie wendet sich im Zeichen des Florentiner Neuplatonismus gegen die vituperatio mulierum, die Frauenschelte, wie sie in Schriften wie „I donneschi defetti“ des Giuseppe Passi kursierten. Marinella dichtete auch ein Epos im Stil Ariosts und Tassos, in dem die mutigen Helden ausschließlich weiblich sind. Über die Kriegerin Claudia heißt es etwa:
L’ultima è Claudia altera, che discese
dal gran sangue latin, progenie augusta;
costei ne’ suoi primi anni avid’apprese
de’ prischi eroi l’alta virtù vetusta.
E ’n cheta pace e ’n militari offes
si mostrò ognor magnanima e venusta;
mostra che l’uso e non natura ha messo
timor nell’un, valor nell’altro sesso.
Die edle Dame habe von klein auf männliche Tugenden erlernt. Folglich sei es nicht die Natur, sondern die Erziehung, die „Furcht in das eine, Tapferkeit in das andere Geschlecht gesetzt hat“. Susanne Gramatzki hat darüber gerade einen tollen Aufsatz in einem Band unserer FONTE Atelier-Reihe publiziert (erscheint Mai 2025). Auch im 18. Jahrhundert sind Frauen im literarischen Feld aktiv – etwa Elisabetta Caminer Turra (1751–1796), die erste Frau Italiens, die eine Zeitschrift gründete und diese mit viel Energie und Esprit selbst leitete. Für Christiana Mariana von Ziegler war vor allem die Bologneser Gelehrte Laura Bassi ein Vorbild. Als diese 1733 von der Universität Bologna gekrönt wurde und sogar eine Professur erhielt, ließ Ziegler in Leipzig nicht locker, bis auch sie zur Kaiserlichen Dichterin gekrönt wurde.

CMZ im Dottorato von Udine
Christiana Mariana von Ziegler war wohl selbst nie in Italien, aber von den Ereignissen in Bologna hat sie Kenntnis genommen. Ob man andersherum in Italien von der Leipziger Aufklärerin wusste, ist schwer zu sagen. Belege haben wir bislang nicht gefunden. Aber Einladungen von Kolleginnen der Universität Udine und Universität Bergamo boten mir die Möglichkeit, CMZ Studierenden und Doktorand*innen im Rahmen einer Vorlesung und eines Gastseminars im ‚Dottorato‘ (eine Art Promotionskolleg, das an italienischen Universitäten für die Ausbildung der Doktoranden zuständig ist) vorzustellen. Ich habe Ziegler in Udine vor allem als Briefschreiberin vorgestellt – als Verfasserin von ‚realen‘ Briefen, von Briefgedichten und von ihren Send-Schreiben, in denen sie immer wieder vehement für die Bildung und Gleichberechtigung von Frauen eintritt. Es hat viel Spaß gemacht, mit den Doktrandinnen und Doktoranden aus verschiedenen Fächern und meiner Gastgeberin, der Germanistin Prof. Dr. Elena Polledri, auf Italienisch, Englisch und auch Deutsch über die Texte unserer Autorin zu diskutieren. Besonders freue ich mich auch auf die Zusammenarbeit mit Elena im Kontext einer Cotutela-Promotion: Elena Zanotel wird sich in ihrer Doktorarbeit mit Fanny Lewald befassen, gewissermaßen einer CMZ des 19. Jahrhunderts. Übrigens lohnt sich Udine akademisch wie kulturell und kulinarisch.
Ziegler, Clelia Borromeo und die Salonkultur des 18. Jahrhunderts
Die Vorlesung im lombardischen Bergamo richtete sich an Studierende der Germanistik. Auch die Germanistik in Bergamo hat eine lange Tradition und mit Professoren und Professorinnen wie Raul Calzoni und Elena Agazzi (die kurz zum Cappuccino ins Café Tasso auf der Piazza Vecchia vorbeikam und in der Veranstaltung mitdiskutiert hat) lehren hier prominente Fachvertreter*innen. In Bergamo ging es zum einen um das Konzept des Aufklärungsfeminismus, zum anderen sollten die Studierenden ermutigt werden, die deutsche Sprache des 18. Jahrhunderts ins Italienische zu übersetzen. Meine Gastgeberin, die Germanistin Dr. Francesca Goll, und ich haben also gemeinsam mit den Studierenden einige Texte von CMZ ad hoc übersetzt. Für einige der translatorischen Experimente haben wir auch Chat-GPT befragt, der in manchen Fällen sogar den satirischen Unterton der Ziegler-Lyrik ganz gut übertragen hat. Schließlich habe ich noch die Gelegenheit gehabt, mit Francesca über ihr spannendes Forschungsprojekt zu sprechen: Sie hat im Stadtarchiv von Bergamo einen Briefwechsel aus dem frühen 18. Jahrhundert entdeckt, der für Fragen des europäischen Austauschs wie für Fragen weiblicher Netzwerke in dieser Zeit neues Quellenmaterial bietet.
Es handelt sich um einen Briefwechsel zwischen Pietro Calepio, einem Gelehrten und Aristokraten aus Bergamo, und dem Schweizer Casper von Muralt, einem Verwandten Johann Jakob Bodmers. Sie schreiben sich zwischen 1721 und 1728. Immer wieder geht es dabei um eine Frau aus Mailand, Clelia Borromeo, und deren „Academia Cloelia Vigilantium“, in der die Naturwissenschaften eine große Rolle spielten. Francesca plant eine Edition dieses Briefwechsels, der also auch Einblicke in die weibliche Wissenskultur der italienischen Aufklärung gibt.

Ich freue mich, auch zukünftig mit den italienischen Kolleginnen und Kollegen im Gespräch zu bleiben. Dozentenaustausch, Erasmus-Programme und Cotutela-Promotionen sind wichtig, um die europäische Vernetzung aufrecht zu erhalten – auch und gerade in der Germanistik. Über das große Interesse der Studierenden, Doktorand*innen und Kolleg*innen an Christiana Mariana von Ziegler habe ich mich jedenfalls sehr gefreut!
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